1975-2005 · 2005-1975
UA=Uraufführung · WA=Wiederaufnahme · NI=Neuinszenierung
27.05.1975 Uraufführung · Regie: Hansgeorg Mahler
18.07.1978 Neuinszenierung · Regie: Hansgeorg Mahler
12.10.1986 Neuinszenierung · Regie: Hansgeorg Mahler, Thomas Korte
13.10.1996 Neuinszenierung · Regie: Michael Kloss
Erzählt wird die Geschichte eines Frankfurter Frosches, der seinen ersten Tag als Frosch erlebt. Da er gestern noch Kaulquappe war, findet er sich mit seinem neuen Körper und seiner neuen Umgebung noch nicht zurecht. Sein größtes Problem: er hat Hunger, weiß aber nicht, was er fressen soll.
Die wohlgemeinten Ratschläge aus dem Publikum kann er nur teilweise umsetzen, und die altklugen Belehrungen eines Entenkükens machen ihn auch nicht satt. Ein zweiter Frosch, der schon einige Tage mehr Lebenserfahrung als Frosch hat, nimmt sich schließlich des Neulings an und fängt mit ihm den ersten Wurm.
(...) "Ein Frosch lernt fressen" enthält, wie es im Untertitel heißt, "fast alle lebenswichtigen Fragen und Antworten für Kinder ab 4". Das Stück, das das Klappmaul Theater 1975 uraufführte und jetzt in einer neuen Inszenierung wieder in sein Programm aufnimmt, steht in der Tradition der Aufklärungs-stücke jener Zeit. Doch stören wir uns an der zum Teil sesam-straßigen Pädagogik wenig. Denn "Ein Frosch lernt fressen" kommt ganz im klappmäuligen Stil daher: leichtfüßig, witzig und bisweilen ironisierend, etwa wenn der Holzmond am Himmel hochgezogen wird, während der kleine Frosch am nachtblauen Teich über den Lebenssinn philosophiert, untermalt mit jazzigen Posaunenklängen. Vor allem aber lebt das Stück vom Dialog des Frosches mit dem jungen Publikum. Denn die Kinder fühlen sich dem Fröschlein haushoch überlegen und geraten geradezu aus dem Häuschen, wenn es darum geht, ihm die Welt zu erklären. Mitmachtheater vom Feinsten.
Hansgeorg Mahler, der das Bühnengeschehen und die Puppen (neben dem Frosch treten noch eine Ente und ein zweiter Frosch auf) ganz allein beherrscht, geht souverän und spontan auf die Kinder ein und versteht es, die Aufmerksamkeit immer wieder auf den Fortgang der Geschichte zu lenken. (...)
Frankfurter Rundschau, 23.10.97
25.01.1976 Uraufführung · Regie: Manfred Roth
05.11.1978 Neuinszenierung · Regie: Andreas Meyer-Hanno
30.11.1976 Uraufführung · Regie: (Ensemble)
23.10.1978 Uraufführung · Regie: (Ensemble)
18.11.1978 Uraufführung · Regie: (Ensemble)
21.10.1979 Uraufführung · Regie: Hansgeorg Mahler
05.04.1985 Neuinszenierung · Regie: Hansgeorg Mahler
23.02.1980 Uraufführung · Regie: Manfred Roth
24.08.1980 Neuinszenierung · Regie: Manfred Roth
26.10.1980 Uraufführung · Regie: (Ensemble)
01.11.1981 Uraufführung · Regie: Hermann Treusch
13.11.1983 Neuinszenierung · Regie: (Ensemble)
30.03.1986 Neuinszenierung · Regie: Manfred Roth
03.10.1982 Uraufführung · Regie: Hansgeorg Mahler
27.04.1986 Neuinszenierung · Regie: Manfred Roth
30.03.1984 Uraufführung · Regie: Andreas Meyer-Hanno
Nach dem atomaren Supergau zieht eine Puppenspielfamilie mit dem letzen überlebenden Pferd durch die Lande...
Frankfurter Rundschau
Vollmond in der Traumstation
04.11.1984 Uraufführung · Regie: Hansgeorg Mahler
09.03.1986 Neuinszenierung · Regie: Hansgeorg Mahler, Thomas Korte
26.10.1997 Neuinszenierung · Regie: Michael Kloss
Alleinunterhalter Fracobello ("Ich rede viel mit mir selbst") begegnet dem Traumpostboten, der nicht nur Träume bringt, sondern auch viel Durcheinander...
07.10.1985 Uraufführung · Regie: Thomas Korte
14.11.1987 Uraufführung · Regie: Manfred Roth
13.06.1998 Uraufführung · Regie: Michael Kloss
Der berühmte Magier und Zauberer Ronaldo Ronizetti hat ein Problem: sein jahrelanger Mitarbeiter und Bühnenhase will nicht mehr in der gemeinsamen Show auftreten, sondern sich mehr um seine vielköpfige Familie kümmern.
Ronizetti ist verzweifelt, denn die meisten seiner legendären Zaubertricks kann er ohne den alten Hasen nicht vorführen. Doch der hat vorgesorgt und bereits seinen Nachfolger angeworben: Herbert Haseweis, Absolvent der HZS (Hasenzauberschule), ist ganz begierig, endlich im Rampenlicht zu stehen.
Doch dank des neuen Hasen passiert während der Zaubershow eine Panne nach der anderen. Ronizetti kommen Zweifel an Herberts Qualifikation; er stellt ihn zur Rede und muss erfahren, dass der zwar auf der HZS war, dort aber nie einen Zauberhut von innen sah…
von Bettina Behler
Bevor es mit Herbert Haseweis richtig los geht, gibt es schon Ärger: Hinter der Bühne werden Türen geknallt, ein Mann beschwert sich lauthals. Er hadert mit der schlechten Situation des Theaterpersonals, mit den Politikern, die es so weit kommen lassen. Ein aktueller Kommentar des Klappmaul Theaters zur Schließung des TAT ? So direkt würden die Figurenspieler das nie sagen, aber kleine Spitzen dürfen schon sein, auch in einem Stück, das für Kinder ab vier Jahren gedacht ist.
Nicht, dass der falsche Eindruck entsteht, Michael Kloss hätte im Theaterhaus ein Politkabarett für den Nachwuchs inszeniert. Eine Zaubershow hat er sich ausgedacht. Im Zentrum, Ronaldo Ronizetti (Thomas Korte), der große Magier, verlassen von seinen beiden Assistenten. Wie ein Possenreißer, dem dummerweise die Pointen entfallen sind, steht er nun auf der Bühne. Großes Tamtam, ein lateinischer Spruch - und in der Kiste ist immer noch kein Kaninchen.
In dieser Situation taucht Herbert Haseweis auf. Durch einen Aushang des vorhergehenden Langohr-Assistenten an der Hasenzauberschule ist er auf die Vakanz aufmerksam geworden. Gesucht wurde: "Helles Köpfchen, flinkes Wesen, dickes Fell". Ronizetti engagiert den Kandidaten in seiner Not vom Fleck weg.
Dass der Hase keine Ahnung hat, wann er besser schweigen muss, merkt der Zauberer erst, als es zu spät ist. Angeblich ins magische Nirgendwo befördert, quatscht Herbert einfach dazwischen. Auch als schwebende Jungfrau überzeugt er angesichts hartnäckiger Bodenhaftung nicht.
Hansgeorg Mahler führt die Geschicke des Plüschhasens. Wie der Figurenspieler in der Kulisse verschwindet, das grenzt schon an Zauberei. Mit Kaspertheater hat das so viel gemein wie eine Blockflöte mit einer Stereo-Anlage. Das Klappmaul-Theater würde sich nie erlauben zu dilettieren.
Aufwändig auch das von Thomas Korte gestaltete Bühnenbild. Statt es bei ein paar Accessoires zu belassen, schuf Korte Glitzer, über die ganze Breite blau, unterbrochen von einem roten Samtvorhang. Manchmal gelingen auch die Tricks, dann werden aus einzelnen Tüchern ganze Ketten. Aber meist folgt dem staunenden "Ooh" des Publikums ein Lacher, weil doch wieder was dazwischen kommt.
Rührend wird das Stück gegen Ende: Herbert gesteht nämlich nicht nur, dass er an der Hasenzauberschule gar nicht eingeschrieben war, er nennt auch noch den Grund: Ohne Eltern hatte er keine Chance die Gebühren zu bezahlen. Da wird sogar der große Ronizetti weich.
Das Stück Herbert Haseweis verzaubert, weil es so viel zulässt: Witz, Wortspiel, Alberei, Sentiment, Magie.
Frankfurter Rundschau, 15.06.02
23.10.1990 Uraufführung · Regie: Michael Kloss
Für ein Kissen ist der Pips (also der Zipp vom Reißverschluß) nicht nur Schmuck und Zierde, sondern lebenswichtiger Bestandteil, ermöglicht er doch erst den Zugriff zum Innern – genauer zur Füllung!
Siggi, ein Kissen wie andere auch, hat seinen Pips bei einer Kissenschlacht verloren. Da der Pips offensichtlich durch die Ritze ins Innere des Sofas gerutscht ist, bleibt Siggi keine andere Wahl, als ihm dorthin zu folgen.
Im Inneren des Sofas (das viel größer ist als ein Außenstehender vermutet) begegnet er dem melancholischen Tapps, der den Überblick verloren hat und seinen Heimweg sucht. Da die beiden aufeinander angewiesen sind, beschließen sie, ihre Suche(n) gemeinsam fortzusetzen. Unterwegs schließt sich ihnen Rosa an, eine schrille, frankfordderisch babbelnde Bettworscht, die ihren Bezug verloren hat und nun unbedingt das Orakel (auch Viererzipfel genannt) über ihr weiteres Schicksal befragen will.
Nach langer Wanderung erreichen die drei Sucher erschöpft das Land der Troddeln (in anderen Gegenden als Schleuderquasten bekannt), wo sie in große Gefahr geraten, gefangen genommen werden und sich auf der Flucht verlieren. Schließlich gelangt Siggi in den geheimnisvollen goldenen Raum...
von Frank Arlig
(...) Dieses Spiel der Sofakissen, das sich Autor Michael Kloss ausgedacht hat, ist "echt super", ist geradezu grandios. Kinder (ab 6) amüsieren sich, Erwachsene schmunzeln und werden nachdenklich. Das Klappmaul Theater hat mit dieser "Reise" einen ganz großen Wurf in die Theaterlandschaft – und das für wirklich alle zwischen 6 und 99 – gesetzt. Je nach Reifegrad sieht man andere Teile, hört man andere kleine und große Wahrheiten, versteht man neue, freche, anzügliche, liebenswert verkündete Bosheiten, Wahrheiten, Nachdenklichkeiten.
Man kann auch ruhig zweimal hingehen und wird noch was entdecken zwischen den wechselnden tollen Dekorationen und den Abenteuern, bis man dieses wundervolle Illusionstheater mit einer Träne des Abschieds verläßt. Diese Ideenfülle von Stoff und Realisation ist umwerfend, traumhaft und beispielhaft...
Ein Glücksfall im Entertainment für alle.
akt, April/Mai 1991
11.10.1991 Uraufführung · Regie: Manfred Roth
04.05.1993 Neuinszenierung · Regie: Michael Kloss
06.10.1993 Neuinszenierung · Regie: Peter Mussbach (Puppenszene: Michael Kloss)
12.10.1995 Wiederaufnahme · Regie: Peter Mussbach (Puppenszene: Michael Kloss)
11.03.1994 Uraufführung · Regie: Michael Kloss, Thomas Korte
07.10.1994 Uraufführung · Regie: Manfred Roth
10.05.1995 Wiederaufnahme · Regie: Manfred Roth
03.02.1995 Neuinszenierung · Regie: Veith Volkert, Manfred Roth, Michael Kloss
19.05.1996 Wiederaufnahme · Regie: Veith Volkert, Manfred Roth, Michael Kloss
05.03.1996 Uraufführung · Regie: Manfred Roth
21.11.1996 Wiederaufnahme · Regie: Manfred Roth
13.11.1999 Wiederaufnahme · Regie: Manfred Roth
03.05.2001 Neuinszenierung · Regie: Manfred Roth
Auf dem Hühnerhof herrscht große Aufregung: Der Karneval der Tiere findet bald statt, und wie jedes Jahr gibt es "den Preis" für die beste Verkleidung zu gewinnen. Doch was ist eine gute Verkleidung?
Florihahn, der Herr des Misthaufens, glaubt, als Löwe gute Chancen auf den 1. Platz zu haben, und hängt sich einen alten Mop als Löwenmähne um. Doch über diesen lächerlichen Versuch können seine beiden Hennen, Huhnigunde und Huhnhilde, nur laut gackern; sie haben eigene Vorstellungen, wie der tierische Preis zu ergattern sei, und versuchen sich als wuselnde Ameise und leichtschwebende Fische. Der pubertierende Johahn hat nur Augen für seinen neuen Schwarm Johenne vom Nachbarhof; die beiden nehmen Karneval nicht so furchtbar ernst und ernten deswegen heftige Kritik von den Alten. Küken Huhnibert wird nach jedem Verkleidungsversuch (ob Elefant oder Ente) schlecht; und die stille Tante Martha (die mit der Brille) nimmt sowieso keiner ernst, deshalb nimmt auch niemand (außer Huhnibert) ihre Verwandlung zum Schwan wahr...
( ...) Und so geht es flapsig-tapsig immer weiter... mit Gegacker, Gekicher und Gezänk mutieren Gockel und Glucken zu Elefant, Känguruh, Hai und Delphin, Kuckuck und Esel, Paradiesvogel und Schwan. In die Metamorphosen integriert ist Sozialkritik: am Machismo des Hahns, am rivalisierenden Verhalten der Hennen, an der Bevormundung, der Küken Huhnibert ausgesetzt ist, und der Diskriminierung von Seniorin Martha. Im Gegenzug werden Alternativen angespielt: Die Hühner entdecken die Frauenpower, der Junge und die Alte solidarisieren sich, der Macker befreit sich aus der Bigamie mit Huhnigunde und Huhnhilde und wirft begehrliche Blicke nach Teenie Johenne.
So wird der "Karneval der Tiere" in der Interpretation des Klappmaul Theaters zu einem lustvollen Lehrstück für Kleine und Große, wo jede(r) sich herauspicken kann, was er/sie/es mag oder begreift. Höhepunkt ist jedenfalls die wundersame Wandlung der grauen Martha in einen weiß-glänzenden, graziösen Schwan. Nach dem Motto "Schönheit kommt von innen" spielt dazu Johannes Oesterlee auf dem Cello ganz gefühlvoll den weltberühmten Solopart, den Saint-Saëns vor 110 Jahren zum Fastnachtsdienstag 1886 für den Cellisten Lebouc komponiert hat. Eine Perle im Kabinettstück dieser Koproduktion zwischen Klappmaul Theater und Oper Frankfurt.
Frankfurter Rundschau, 6.3.1996
"Ich wollt' ich wär ein Huhn, ich bräucht' nicht viel zu tun" - das singt nur, wer nicht beim Klappmaultheater im Theaterhaus gesehen hat, wie sich das Federvieh auf den Karneval der Tiere vorbereitet. Legewillige Hühner werden aus dem Stall hervorgezerrt, um den Elefanten zu machen. Schnippische Bemerkungen werden zwischen den Hennen ausgetauscht, schließlich möchte jede für Florihahn die Schönste sein. Doch wenn der Hahn im Korb den tollen Löwen markieren will, hat er nur wenig Erfolg - darin sind sich sogar die beiden Rivalinnen Huhnigunde und Huhnhilde ausnahmsweise einig. Aber nur kein Mitleid, denn Florihahn nutzt die nächste Gelegenheit, die beiden karnevalsfein herausgeputzten Hennen gemein herunterzuputzen. Wen wundert's, dass Baby Huhnibert manchmal nur noch mit erstaunten Augen auf die Welt der Erwachsenen blicken und bei manchem Versuch mitzumischen nicht verstehen kann, dass er mal zu groß und mal zu klein für etwas ist. Die allgemeine Karnevalshysterie jedoch kommt den pubertierenden Johahn und Johenne zu Gute - so finden ihre immer weniger schüchtern werdenden Schnäbeleien nur wenig Beachtung bei den Erwachsenen. Doch der Wunsch, gegen die anderen Tiere zu gewinnen, schweißt dann doch wieder zusammen. Aber: Solidaritäten schwinden so rasch wie sie geschmiedet werden. Wie im richtigen Leben. Und dennoch sitzt man und staunt und lacht. Staunt über die fantasievolle Gestaltung, lacht über den für das Klappmaultheater typischen Wortwitz. Und fragt sich schließlich, als der bunte Taumel vorbei ist: Sind wir wie diese Hühner? Oder sind diese Hühner wie wir? Wer weiß das schon. Egal.
"Der Karneval der Tiere" im Theaterhaus ist eine wunderbar menschliche und köstlich intelligente Narretei. Wahrer Karneval und eine geschickte Ummünzung der kleinen Hiebe, die Camille Saint-Saëns gegen seine Komponistenkollegen musikalisch verteilte, auf die menschliche Natur. Unbedingt sehenswert - nicht nur für kleine Menschen ab sechs Jahren.
Frankfurter Neue Presse, 6.5.2001
18.03.1997 Neuinszenierung · Regie: Manfred Roth
26.09.1998 Uraufführung · Regie: Michael Kloss
Willi Bangemann, ein kleiner Waschlappen, hat beim Seifenweitwurf die Scheibe des Badezimmerfensters zerstört. Es war zwar keine Absicht, aber das wird Willi nichts nützen, wenn Papa und Mama den Scherbenhaufen sehen. Willi bangt vor dem unvermeidlichen Zornesausbruch der Eltern...
Der Hund Labello bringt ihn auf die Idee, dem Schicksal durch Abwesenheit zu entgehen: "Wenn du lang genug wegbleibst, machen sie sich Sorgen und schimpfen nicht mehr." Willi, der noch nie allein von zu Hause weg war, beschließt, dass eine lange Stunde genügen muss, um dem ersten Gewittersturm zu entgehen. Mit gemischten Gefühlen macht er sich auf, die Umgebung zu erforschen.
Unterwegs entdeckt Willi, dass er nicht der einzige ist, der Angst hat: der kleine Vogel befürchtet, beim ersten Flugversuch abzustürzen; das Entenküken verzichtet aufs Baden, weil es mal was von Bleienten gehört hat; der Elefant hat panische Angst vor diesen großen unheimlichen Mäusen; und der Angsthase fürchtet sich sowieso vor allem, am meisten aber davor, Angst zu haben.
Als Willi schließlich wieder nach Hause kommt, stellt er fest, dass sogar Eltern Angst haben können...
Wollen Sie mal wieder die Welt auf die Größe einer Puppenbühne schrumpfen lassen, mal wieder das Geschehen zwischen Himmel und Erde in einfachen Worten erklärt bekommen, wieder etwas für Ihren Nachwuchs und das Kind in Ihnen tun, und bei all dem noch ein Happy-End erleben? Dann sollten Sie sich vom Klappmaul Theater das Musical "Der kleine Waschlappen" für Menschen ab 4 Jahren anschauen. Sie werden sich 55 Minuten lang sicher so gut amüsieren, wie bei der Premiere am Samstagabend das Publikum, das die Geschichte von einem der auszog, um mit der Angst umgehen zu lernen, am Schluß bejubelte. (...)
Das gute Ende ist einfühlsam und gefühlvoll, aber nicht kitschig. So wie das gesamte Stück, bei dem Hansgeorg Mahler den Handpuppen von Alexander Krein und Thomas Korte mit wenigen Bewegungen und schöner Stimme Leben einhaucht. Ähnlich gute Noten verdient sich Barbara Feldmann, die mit Mahler gemeinsam den unterhaltsamen und leicht verständlichen Text entwickelt hat, den Regisseur Michael Kloss zu einer spannenden Erzählung umsetzt.
Den Gesang der Puppen unterlegen die Musiker (Bodo Kolbe, Annemarie Roelofs...) mit schönen Melodien, die nie aufdringlich sind. Also: seien sie kein Angsthase, seien Sie ein Waschlappen, gehen Sie ins Theater.
Frankfurter Rundschau, 28.09.1998
20.05.2000 Uraufführung · Regie: Manfred Roth
Siggi, das Sofakissen kehrt (fast freiwillig) ins Sofa zurück, um seine Freunde Tapps und Rosa wiederzusehen. Doch im Sofa ist vieles anders als vorhin: Die Troddeln rasen umher und zerstören vor Wut über den von Rosa geklauten Heiligen Schleier alles, was ihnen in den Weg kommt; heftige Sofabeben erschüttern immer wieder das Gefüge, verschließen alte Ausgänge und geben neue Zugänge frei; doch das Merkwürdigste: die Zeit tickt nicht mehr richtig... Für Siggi beginnt erneut eine dramatische Suche, denn die Troddeln rauben seinen Pips und wollen ihn nur gegen den Heiligen Schleier wieder eintauschen. Den Schleier besitzt immer noch Rosa, aber sie hat mittlerweile einen besonderen Bezug zu dem Fetzen entwickelt und mag ihn nicht freiwillig wieder hergeben - auch nicht für Siggi. Die Freundschaft der Beiden wird auf eine harte Probe gestellt, und Tapps als Dritter im Bunde wechselt ständig die Fronten... Ob Siggi Pips und Freundschaft retten kann? Was die Uhrmutter über den Zeitfluss weiß? Warum das Orakel Kopfschmerzen hat? Antworten auf diese Fragen und Fragen zu weiteren Antworten erhält man in diesem zweiten Teil der Sofa-Trilogie...
(...) Wie schon im ersten Teil der als Trilogie angelegten Vorlage geht es den Klappmäulern nicht allein um spannendes Puppentheater, sondern um die spielerische Überwindung psychologischer Grenzen. Weshalb haben die einzelnen Lebewesen so ein unterschiedliches Zeitgefühl? Und warum hat man manchmal das Bedürfnis, etwas langsamer zu tun, nur um sich nicht selbst zu "verlieren"? Diese beinahe schon ins philosophische gehenden Fragen werden zwar nicht beantwortet, aber sie regen zum Nachdenken an. Und wie bereits beim ersten Teil sind die Aktionen des aufmüpfigen Siggi mit viel Wortwitz gewürzt, und seine Gradlinigkeit führt ihn schließlich zu einem befriedigenden Ergebnis.
Was dem Stück unter der Regie von Manfred Roth speziellen Reiz verleiht, ist die aufwendige Technik, mit der die einzelnen Sofaebenen geschickt voneinander unterschieden werden. Man fragt sich am Ende verblüfft: Wie ist das nur gemacht? Und was dem Ganzen zusätzlich Tiefe verleiht, ist die stimmungsvolle Musik von Annemarie Roelofs. Gleich nachdem Siggi widerwillig in seine alte Umgebung zurückgekehrt ist, denkt man: Das kann doch nicht alles gewesen sein. Und wie bei dem auf Kontinuität bedachten Klappmaul Theater nicht anders zu erwarten, ist die Fortsetzung auch schon in Planung. (...)
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.05.2000
(...) Nie haben wir geahnt, welche Welten ein einfaches, nicht gerade schönes und etwas ausgesessenes Sofa in sich bergen kann, (...) ein Zauber, bei dem auch die Großen staunende und leuchtende Kinderaugen bekommen dürfen.
Frankfurter Neue Presse, 23.05.2000
02.08.2000 Uraufführung · Regie: Manfred Roth
Während Oscar Wildes Riese Jahr für Jahr so sehnsüchtig wie vergeblich auf die Wiederkehr des von ihm geretteten Kindes wartet, wandeln sich im 2. Akt dieser Oper des Autorenduos Vogg-Schedl die Kinder zu Typen aus dem Rocker-und Punker-Milieu
von Gerhard Schedl
Anfangs der 90iger Jahre war ich bemüht einen Stoff für eine neue Kinderoper zu finden. Nach dem internationalen Erfolg meiner ersten kammermusikalischen Kinderoper „Der Schweinehirt“ (1981), die ich nach der Geburt meines Sohnes Johannes für ihn geschrieben hatte, wollte ich meinem zweiten Sohn Andreas ebenfalls ein Musiktheaterstück dedizieren. Die Wahl des Sujet fiel auf Anraten meiner Frau auf das Märchen „Der selbstsüchtige Riese“ von Oskar Wilde, das sie schon oft meinen Jungs vor dem Zubettgehen vorgelesen hatte.
Zusammen mit Herbert Vogg konnte ich daran gehen aus der kurzen Wild’schen Prosa eine bühnentaugliche Dramaturgie für ein zeitgenössisches, politisch-engagiertes Bühnenstück zu entwickeln, das sich nach und nach von einem Märchen für Kinder zu einem Jugendstück und letztendlich zu einem allgemein gültigen Musiktheater gewandelt hat. Die Parabel vom Kind und Riesen, welche von christlicher Verkündigungssymbolik spricht, war so nicht zu halten. Vom Anfang an war mir klar, daß die Geschichte einerseits wertneutral und dennoch ethisch nachvollziehbar in unsere Zeit transferiert und anderseits dramatisch weitererzählt werden sollte. Die eigentliche Idee war allerdings in einer radikalen, aus der Befragung der Originalstory resultierenden Sichtweise zu suchen, die sich in der gleichsam dialektischen Brechung der einzelnen musikalischen und dramaturgischen Parameter manifestieren mußte. Besonders in der Ambivalenz unterschiedlicher Zeit- und Erfahrungsebenen von Jung und Alt, von fiktiver Märchen- und realer Jetztwelt spiegeln sich die gewählten Sprach- und Musikmuster in Gestus und Textur wieder.
So wie in der Veränderung der niedlichen „Kleinen“ zu uniformen „Großen“ – als Jugendbande organisiert und in der Gestalt überdimensionaler Puppen paraphrasiert, und von mystisch zu fürchtenden Riesen/Menschenfresser zu alten, gebrechlichen, fast schon ängstlichen Menschen eine analoge Transformation von Sprache und Musik eintritt, so werden aus den allegorischen Figuren der „4 wilden Gesellen“ (Hagel, Schnee, Nordwind und Winter) tatsächliche Personen eines heutigen kriminellen Milieus. Konflikt, Schuldit treffen in dieser Konstellation in besonderem Maße aufeinander. Gerade solche menschlichen Grundbedürfnisse sind in ihrer didaktischen Notwendigkeit zeitlos. Die Ironie besteht nun darin, daß aus einer märchenhaften Parabel eine neue, nicht weniger idealistische entstanden ist und in gewisser Weise macht mich das zufrieden. und Läuterung der Wild’schen Vorlage werden also in der Brechung des ersten Aktes in seiner bewußt naiven, märchenhaft-idealisierenden Kolorierung, durch den nüchterneren, realistischen zweiten Akt auf eine heutig-nachvollziehbare Ebene projiziert. Ist der 1. Akt in seiner musikalischen und dramaturgischen Anlage bewußt naiv, ja verniedlichend – eben wie sich Erwachsene gerne die Welt von Kindern vorzustellen pflegen - , so muß der 2.Akt schon als traumatischer Bruch in eine unprosaische Realität empfunden werden. Demgegenüber verkörpern lediglich zwei Frauenfiguren eine allgemeingültige Konstante der Hoffnung und der Geborgenheit in der nicht gebrochenen Allegorie des Frühlings und der Metapher der „Mutter Erde“ in der Gestalt der Julia, der „Haushälterin“ des Riesen.
Fiktion und Wirklichkeit treffen in dieser Konstellation in besonderem Maße aufeinander. Gerade solche menschlichen Grundbedürfnisse sind in ihrer didaktischen Notwendigkeit zeitlos. Die Ironie besteht nun darin, daß aus einer märchenhaften Parabel eine neue, nicht weniger idealistische entstanden ist und in gewisser Weise macht mich das zufrieden.
von Manfred Roth
Ist man davon überzeugt, dass die Interpretation eines Kunstwerks immer zuerst an seinen Brüchen und Widersprüchen anzusetzen habe, fällt einem der Einstieg in die konzeptionelle Arbeit an der neuen Oper „Riese, Zwerge, Menschenfresser“ ziemlich leicht. Quer durch das Stück, zu dem Herbert Vogg das Libretto verfasst und Gerhard Schedl die Musik komponiert hat, geht, von den Autoren genau berechnet und definiert, ein abgrundtiefer Riss.
Im ersten Akt herrscht musikalisch wie textlich ein märchenhafter Grundton. Und gewiss folgen die Grundzüge der Handlung zunächst der Vorlage, nämlich Oscar Wildes Märchen vom selbstsüchtigen Riesen, der die Kinder nicht in seinem Garten spielen lassen will, deswegen eine Mauer hochzieht und ein Verbotsschild aufstellt. Genau diese Mauer und, so ist es gemeint, die Hartherzigkeit des Riesen, bewirken aber auch, daß der Frühling nicht in den Garten kommt. Dort setzt sich der Winter mit seinen Spießgesellen Nordwind, Schnee und Hagel fest. Erst als, verbotenerweise, wieder Kinderfüße den Gartenboden betreten, haben die Blumen Lust zum Blühen und schlagen die Bäume aus. Der Riese erkennt seinen Fehler, wird mild, hilft insbesondere dem scheuesten der Kinder und wird mit der Zuneigung dieses Knaben belohnt. Alles wird gut, alle sind glücklich.
Im denkbar größten Gegensatz dazu steht der zweite Akt. Schedl schlägt musikalisch krasse, sperrige Töne an, die Atmosphäre ist definitiv heutig. Die Sprache lehnt sich daran an. Aus den vier wilden winterlichen Gesellen, die im ersten Akt mit fast musical-ähnlichen Shownummern auftrumpften, sind Drogendealer geworden. Die Kinder des ersten Aktes sind nun Halbwüchsige und bewegen sich im entsprechenden Milieu.
Bei Oscar Wilde wartet im weiteren Verlauf der Riese jahrelang auf die Rückkehr des Knaben, den keines der anderen Kinder gekannt hat. Erst am Ende seines Lebens erblickt er ihn wieder unter einem Baum stehend, es wird klar, dass es sich um das Jesuskind handelt, das nun gekommen ist, den Riesen zu sich, in den Garten des Paradieses mitzunehmen.
Bei Vogg und Schedl wird aus dem verführerischen Garten des Riesen eine dürftige Schrebergartenidylle, der Riese selbst ist ein altes Männlein geworden. Und dasjenige der „Kinder“, das sich am deutlichsten von den anderen abhebt, ist nicht mehr der stille scheue Knabe sondern Hannes, ein schon im ersten Akt angeberischer und leicht betrügerischer Bursche, der nun, heroinabhängig, längst zum Dieb geworden, überschuldet in den Fängen der Dealer zappelt, verzweifelt seine Freunde um Hilfe anfleht. Er ist es auch schließlich, der, erwischt bei dem Versuch, den alten Riesen zu berauben, ihn mit einer Eisenstange niederstreckt. Und dennoch zieht der Frühling erneut ein und kündet von Hoffnung.
Wie geht das zusammen? Und soll es überhaupt zusammengehen?
Es wird in der Aufführung etliche formale Elemente geben, die die Disparatheit der beiden Teile betonen. Alleine dadurch, daß die Jugendlichen des zweiten Teils durch Puppen dargestellt werden, ist eine andere Ebene betreten. Zusammen mit den Mitgliedern des Klappmaul Theaters wurden dafür Leitlinien festgelegt: Offene Führung, d.h. die Spieler sind zu sehen. Verzerrung der Dimensionen. Während der Riese mit den anderen Personen seiner Welt eigentlich „kleiner wird“, werden die Puppen hochgeschossen sein, eigentlich „zu groß“, herausgewachsen. Diese Jugendlichen singen auch nicht mehr, sie sprechen. Hierfür soll eine zitierende, rhythmisch formalisierte Sprechweise gefunden werden, die obendrein nicht direkt sondern über Mikrophon in den Saal gelangt. Gleichwohl sollen auch die (selbstverständlich erwachsenen) Sänger, die die Kinder des ersten Aktes verkörpern, gelegentlich präsent sein, so dass sich durch Doppelung, fast Verdreifachung der Personen hyper-reale Bilder ergeben. Keinesfalls angestrebt ist naturalistische, quasi dokumentarische Heutigkeit. Nicht einfach eine Fortschreibung in eine als gefährlich begriffene Gegenwart sei Ausdruck dieses zweiten Aktes, eher eine sich aus den unter den Teppich gefegten Restschulden des ersten Aktes herausentwickelnde Hochrechnung, eine Angstvision. Pascale Arndtz setzt mit ihrem Bühnenbild die Mauer des ersten Aktes als ebenso klares Zeichen wie die „ausgepackte“, sprich ernüchternde Gartenwelt des Riesen.
Bei so vielen Gegensätzen, der Handlung bewusst eingeschriebenen Brüchen ist (in dialektischer Umkehrung des eingangs Erwähnten) allerdings auch herauszuarbeiten, wie sich der erste Akt zum zweiten bindet. Die große Versöhnung des ersten Finales, musikalisch sehr ausgebreitet, soll als brüchige gezeigt werden. Im glücklichen Schlussbild muss sowohl die Schuld des Riesen (für ein Kind ist jeder Erwachsene ein Riese, und ebenso gigantisch sind seine Verbote), der zweifelhafte Charakter des Hannes und die Angst aller, wie es weitergehen soll, enthalten sein. Was wird aus der nachkommenden Generation? Was für eine Welt bereiten wir ihr? Welche Fehler haben wir mit ihr gemacht? Können wir sie nicht für immer behüten? Woher ist Sicherheit zu bekommen? Viele offene Fragen, Ängste angesichts eines vorläufigen happy end.
Die Bühne, die Personenführung, beides wird ironische Gegenbehauptungen zur musikalischen Apotheose aufstellen.
Und dieses Schlussbild wird zum Beginn des zweiten Aktes wieder anzitiert, nicht als Kitt sondern als Klammer, die zeigt, was das eine mit dem anderen zu tun hat.
Das weitaus traurigere Schlussbild des zweiten Akts mit dem am Boden daniederliegenden (toten?) Riesen wird schon durch die Autoren konterkariert mit dem letzten Auftritt des Frühlings. Besetzt mit einem Koloratursopran begegnet uns diese Natur-Verkörperung auf zauberhafte Weise durch das ganze Werk hindurch. Eine Konstante, auf die wir uns schlussendlich immer wieder verlassen dürfen. Die Regie wird versuchen, in umgekehrter Analogie zum ersten Finale, dieses große „Dennoch“ angesichts alles Schrecklichen, diesen immer wiederkehrenden Neubeginn mit einem letzten, im Werk nicht vorgeschriebenen Auftritt deutlich machen.
Weitere schönste Gelegenheiten für immer wiederkehrende Brechungen des Geschehens, für Relativierungen, Momente des Innehaltens sind zum Beispiel mit der Figur des Menschenfressers, der gar keinen Spaß an seiner „Profession“ hat, gegeben, und mehr noch in einer Person, die in der Wildeschen Vorlage überhaupt nicht enthalten ist: Vogg und Schedl haben dem Riesen eine Haushälterin dazuerfunden. Keine Riesin, von eigenartig schöner Aura, für uns ein geheimes Zentrum des Geschehens. Diese Figur, zwischen dem Riesen und den Kindern stehend, schafft nüchtern-betrachtende Distanz zu den Verwirrungen der Gefühle und hält mit einer melancholischen Arie im zweiten Akt einen berührenden Abgesang auf die zwangsläufig immer wieder untergehende Welt der Elterngeneration. Mit dieser herbstlichen Figur ist dem Frühling eine zweite Vertreterin des Weiblichen beigesellt, äußerst wichtig in dieser Welt der Riesen, Zwerge, Menschenfresser.
Der selbstsüchtige Riese
·
13.06.2002 Uraufführung · Regie: Michael Kloss
Der berühmte Magier und Zauberer Ronaldo Ronizetti hat ein Problem: sein jahrelanger Mitarbeiter und Bühnenhase will nicht mehr in der gemeinsamen Show auftreten, sondern sich mehr um seine vielköpfige Familie kümmern.
Ronizetti ist verzweifelt, denn die meisten seiner legendären Zaubertricks kann er ohne den alten Hasen nicht vorführen. Doch der hat vorgesorgt und bereits seinen Nachfolger angeworben: Herbert Haseweis, Absolvent der HZS (Hasenzauberschule), ist ganz begierig, endlich im Rampenlicht zu stehen.
Doch dank des neuen Hasen passiert während der Zaubershow eine Panne nach der anderen. Ronizetti kommen Zweifel an Herberts Qualifikation; er stellt ihn zur Rede und muss erfahren, dass der zwar auf der HZS war, dort aber nie einen Zauberhut von innen sah…
von Bettina Behler
Bevor es mit Herbert Haseweis richtig los geht, gibt es schon Ärger: Hinter der Bühne werden Türen geknallt, ein Mann beschwert sich lauthals. Er hadert mit der schlechten Situation des Theaterpersonals, mit den Politikern, die es so weit kommen lassen. Ein aktueller Kommentar des Klappmaul Theaters zur Schließung des TAT ? So direkt würden die Figurenspieler das nie sagen, aber kleine Spitzen dürfen schon sein, auch in einem Stück, das für Kinder ab vier Jahren gedacht ist.
Nicht, dass der falsche Eindruck entsteht, Michael Kloss hätte im Theaterhaus ein Politkabarett für den Nachwuchs inszeniert. Eine Zaubershow hat er sich ausgedacht. Im Zentrum, Ronaldo Ronizetti (Thomas Korte), der große Magier, verlassen von seinen beiden Assistenten. Wie ein Possenreißer, dem dummerweise die Pointen entfallen sind, steht er nun auf der Bühne. Großes Tamtam, ein lateinischer Spruch - und in der Kiste ist immer noch kein Kaninchen.
In dieser Situation taucht Herbert Haseweis auf. Durch einen Aushang des vorhergehenden Langohr-Assistenten an der Hasenzauberschule ist er auf die Vakanz aufmerksam geworden. Gesucht wurde: "Helles Köpfchen, flinkes Wesen, dickes Fell". Ronizetti engagiert den Kandidaten in seiner Not vom Fleck weg.
Dass der Hase keine Ahnung hat, wann er besser schweigen muss, merkt der Zauberer erst, als es zu spät ist. Angeblich ins magische Nirgendwo befördert, quatscht Herbert einfach dazwischen. Auch als schwebende Jungfrau überzeugt er angesichts hartnäckiger Bodenhaftung nicht.
Hansgeorg Mahler führt die Geschicke des Plüschhasens. Wie der Figurenspieler in der Kulisse verschwindet, das grenzt schon an Zauberei. Mit Kaspertheater hat das so viel gemein wie eine Blockflöte mit einer Stereo-Anlage. Das Klappmaul-Theater würde sich nie erlauben zu dilettieren.
Aufwändig auch das von Thomas Korte gestaltete Bühnenbild. Statt es bei ein paar Accessoires zu belassen, schuf Korte Glitzer, über die ganze Breite blau, unterbrochen von einem roten Samtvorhang. Manchmal gelingen auch die Tricks, dann werden aus einzelnen Tüchern ganze Ketten. Aber meist folgt dem staunenden "Ooh" des Publikums ein Lacher, weil doch wieder was dazwischen kommt.
Rührend wird das Stück gegen Ende: Herbert gesteht nämlich nicht nur, dass er an der Hasenzauberschule gar nicht eingeschrieben war, er nennt auch noch den Grund: Ohne Eltern hatte er keine Chance die Gebühren zu bezahlen. Da wird sogar der große Ronizetti weich.
Das Stück Herbert Haseweis verzaubert, weil es so viel zulässt: Witz, Wortspiel, Alberei, Sentiment, Magie.
Frankfurter Rundschau, 15.06.02
Ein Frosch lernt fressen, unter Verwendung des von Robert Gernhardt erfundenen
Grüngürteltiers
10.04.2003 (Exotarium im Frankfurter Zoo) Uraufführung · Regie: Michael Kloss
Erzählt wird die Geschichte eines Frankfurter Frosches, der seinen ersten Tag als Frosch erlebt. Da er gestern noch Kaulquappe war, findet er sich mit seinem neuen Körper und seiner neuen Umgebung noch nicht zurecht. Sein größtes Problem: er hat Hunger, weiß aber nicht, was er fressen soll.
Die wohlgemeinten Ratschläge aus dem Publikum kann er nur teilweise umsetzen, und die schnippischen Bemerkungen und altklugen Belehrungen eines GrünGürtel-Tieres machen ihn auch nicht satt. Erst als das GrünGürtel-Tier auch praktische Hilfestellung leistet, fängt der Frosch seinen ersten Wurm...
Währenddessen philosophiert das frankfordderisch babbelnde GrünGürtel-Tier über Nidda-Au, Monte Scherbelino, Waldstadion und Rennbahn - kurz alles, was zum Frankfurter GrünGürtel gehört...
Grüngürteltiervon Robert Gernhardt
Das GrünGürtel-Tier-Lied
von Michael Kloss
Es stellte uns schon Kaiser Kall,
der Fünfte, mit Begeist’rung nach.
Die Steuergelder war’n schnell all:
so entstand der Wäldchestach.
Blau sin Bäsche, grün sin Bäume,
grün un blau gehört zu mir:
blau sin Stunne, die isch träume,
grün bin isch als Gürteltier.
Auch Goethes große Wissbegier
sah sisch nach uns die Aache matt,
so dass er statt Grüngürteltier
des Pudels Kern verdischtet hat.
Blau sin Bäsche, grün sin Bäume,
grün un blau gehört zu mir:
blau sin Stunne, die isch träume,
grün bin isch als Gürteltier.
Dass mer uns leibhaftisch kennt,
is nur die Schuld von einem Mann,
der sisch Robert Gernhardt nennt
un fast wie Goethe dischte kann.
Blau sin Bäsche, grün sin Bäume,
grün un blau gehört zu mir:
blau sin Stunne, die isch träume,
grün bin isch als Gürteltier.
Er sah un in ner Schlafenspaus'
deshalb ernannten wir ihn schnell
zum GrünGürteltier-Biograph:
Auf dass uns Robert gern hatt, gell.
Blau sin Bäsche, grün sin Bäume,
grün un blau gehört zu mir:
blau sin Stunne, die isch träume,
grün bin isch als Gürteltier.
Geckos, Agamen und Leguane flitzen durch ihr gläsernes Quartier im Exotarium des Zoos, im Schaukasten nebenan sitzt friedlich das "dasipus frankonia". Genau genommen bewegt es sich gar nicht, denn eingesperrt wurde nur die Steiff-Ausgabe des berühmten "GrünGürtel-Tiers". Ringförmig um Frankfurt sei das putzige Kuscheltier verbreitet, informiert eine Tafel, gleichermaßen tag- und nachtaktiv und außerdem lege der von Robert Gernhardt entdeckte Grünschnäuzer gelegentlich ein Ei.
Eine Etage tiefer stellt gerade ein weiteres Exemplar der seltenen Gattung sein schauspielerisches Talent unter Beweis. Von friedvollem Benehmen kann bei diesem GrünGürtel-Tier übrigens keine Rede sein - es meckert permanent, und zwar mit dem kleinen Frosch. Der war bis gestern noch eine Kaulquappe und steckt in einer Identitätskrise. "Alles ist anders", singt er dem erfahrenen "dasipus frankonia" vor: Der grüne Hüpfer hat plötzlich Arme und Beine - und tierischen Hunger. Doch bis er seinen ersten Wurm fängt, muss noch eine ganze Stunde vergehen.
Denn so lange dauerte das Puppenstück "Blaue Stunde im Grünen Gürtel", das das Frankfurter Klappmaultheater gestern Mittag zum ersten Mal aufführte. Schon während der interaktiven Vorstellung reagierten die Kinder begeistert, und Michelle (8) erzählte nachher: "Mir hat es am besten gefallen, als der Frosch das GrünGürtel-Tier nicht verstanden hat" - das babbelte nämlich nur Frankforderisch.
Aber viele andere Eigenschaften der grünen Tiere sind noch unerforscht. Deshalb hatte das Umweltamt ein Preisrätsel ausgeschrieben, das nach Fressgewohnheiten fragte, dem Herkunftsort und eingekreuzten Arten. Die Ziehung der Gewinner übernahm die eigens angefertigte Handpuppe des Klappmaultheaters gemeinsam mit Umweltdezernentin Jutta Ebeling und deren junger Bekannten Henriette. Über die Steiff-Version des umweltbewussten Wesens können sich freuen: Harald Hamm (Frankfurt), Ciaran Göller (Wiesbaden), Laura Marie Witting (Nidderau) und Lena Smolik (Ortenberg). Weil sie den Lieblingsspeisen des GrünGürtel-Tiers am nächsten kam, erhält auch Johanna Koch (Frankfurt) was zum Kuscheln. Die richtige Antwort war einfach: Alles, was grün ist.
Das Umweltamt ist zufrieden: Die Ergebnisse des Rätsels seien so vielfältig wie der GrünGürtel und bewiesen, wie nötig Freiräume in einer Stadt seien, um Fantasien freizusetzen.
Frankfurter Rundschau, 11.04.03
09.09.2004 Uraufführung · Regie: Manfred Roth
Siggi steigt noch einmal ins Innere des Sofas hinab. Doch seine hehren Pläne „da unten aufzuräumen“ werden schon im Ansatz erstickt: die vollständige Vertroddelung durch den Heiligen Schleier ist nicht mehr aufzuhalten, Freund und Feind sind kaum noch zu unterscheiden – und dann steht Siggi plötzlich vor einem übermächtigen Gegner, gegen den ihm keiner helfen kann und den er obendrein fast so gut kennt wie sich selbst...
Von den vielen Fragen (warum das Sofa bebt, wohin Rosa vom Zeitfluss getrieben wurde, wieso das Orakel sich selbst zitiert, weshalb Tapps im Museum nach seiner Vergangenheit sucht und wessen Trauerfeier in der Herzkammer stattfindet) soll hier nur eine beantwortet werden: Ja, der dritte Teil der Sofa-Trilogie ist auch der letzte.
Sofadämmerung
Mit dem ersten Teil der Trilogie wurde 1990 das Theaterhaus eröffnet. Zehn Jahre später kam Das Sofa schlägt zurück
zur Aufführung. Den systematischen Abschluss und gleichzeitig die Abschiedsinszenierung der Klappmäuler bildet jetzt die Sofadämmerung
, an deren heikelster Stelle ein Albtraum inszeniert wird. Darin erlebt der von einer Unterweltspezies namens Troddeln gefangene und für seine Vertroddelung bereits präparierte Siggi, dass in Folge persönlicher Versäumnisse seine Freunde nicht mehr für ihn eintreten wollen. Die didaktische Quintessenz lautet: Wer keine Zeit für seine Freunde hat, dem nimmt die Zeit die Freunde.
Zu seiner Erleichterung stellt der erwachende Siggi fest, dass seine Freunde, seinen Verfehlungen zum Trotz, immer noch zu ihm halten. Im letzten Augenblick bewahren sie ihn vor einer Vertroddelung. Dem guten Schluss gehen schwerwiegende Erfahrungen und Begegnungen voraus. Dazu gehört Siggis Konfrontation mit seinem Alter ego, das ihm mit harten Wahrheiten kommt, die ein Erwachsener als Prozesse der Selbsterkenntnis identifiziert.
Kinder mögen dem bedrohlichen Szenario der Sofa-Unterwelt verhaftet bleiben: Sehr direkte Reaktionen im Publikum deuteten darauf hin. Das Spiel der Klappmäuler ist derart vielgestaltig und intensiv, dass es die Welt vor der Theatertür ausschließt. Das von vielen verblüffenden Effekten – auch einem illuminierten Himmel mit rotierenden Sitzgelegenheitsminiaturen unter der Theaterdecke – flankierte Drama entwickelt eine Sogwirkung, die der Aufmerksamkeit des Betrachters den Fokus zwingend vorschreibt. Die kolossale Puppenstube im Theaterhaus besitzt Hegemonie.
Frankfurter Rundschau, 15.09.04
27.05.2005 Uraufführung · Regie: (Ensemble)