Frankfurter Rundschau
16. Mai 2000
Der total 
bescheuerte Putzlappen

Das Frankfurter Klappmaul Theater wird 25 
und feiert Jubiläum mit einer Uraufführung 
von Bettina Behler 

Was ist schon eine Nähmaschine? Ein Gerät, das vor sich hinrattert und Kleider repariert oder neu entstehen lässt. Die Stiftung Warentest schreibt über so ein Maschinchen vielleicht einen ausführlichen Text - aber ein Bühnenautor? Manfred Roth hat 1982 aber genau das getan und für das Klappmaul Theater einen Text mit dem Titel die ,,Die Nähmaschine" verfasst. Heute, im Jahr des 25-jährigen Bestehens des Ensembles, ist das Stück immer noch unverwüstlich wie Tante Julies lila schimmerndes Sommerkleid. Thomas Korte bringt die Maschine immer noch auf Zack.

Am Morgen im Neuen Theater Höchst sitzen die Kinder mucksmäuschenstill im Dunkeln. Zumindest zu Anfang. Korte, zugleich Schauspieler und Puppenspieler, erzählt von dem Knaben Olli und seiner hysterischen Mutter Elli Anders. Der Klappmauler lässt die beiden Figuren lebensgroß und kunterbunt auferstehen, führt sie an der Hand und gibt ihnen Stimme. Mal quengelig, mal neugierig, gelegentlich kreischig. Zwischendurch erzählt Korte Geschichten. Beispielsweise vom Putzlappen, der nicht neugierig sein durfte. Wenn in dem Dialog der aus Feudeln gefertigten Puppen Sprüche fallen wie "der ist doch total bescheuert", können sich die Erwachsenen über den Wortwitz amüsieren, die Kinder lachen über das Figurentheater.

Neben einem fantasievollen Bühnenbild gehört Doppelbödigkeit, die ohne Hinweistafeln auskommt, zu den Kunstfertigkeiten der Klappmäuler. Dem Gründer des Figurentheaters, Hansgeorg Mahler, fallen beim Gespräch eine ganze Reihe von Anspielungen ein. Beispielsweise der Name der Frankfurterisch babbelnden Bettwurst ,,Rosa" in dem Klappmaul-Klassiker Reise zum Mittelpunkt des Sofas: ,,Klar ist ihre Heimat Praunheim", sagt Mahler, auch wenn es im Stück nicht weiter ausgeführt wird. Oder ,,Tingeli", der Schwyzerdütsch redende Erfinder absurder Maschinen, erinnert der an den Schweizer Bildhauer Tinguely. Wenn es jemand kapiert, ist gut, wer es nicht kapiert, kann gleichfalls seinen Spaß haben.

,,Wir machen Familientheater", sagt Mahler. Im besten Sinne gibt es darin für jeden etwas. Dass der Bericht des städtischen Pressedienstes zum Klappmaul-Jubiläum unlängst unter der Überschrift ,,Ein Herz-Aufmach-Theater" erschienen ist, hat Mahler, Korte und ihren Mitstreitern Alexander Krein und Michael Kloss gefallen. Amüsieren soll das Publikum sich bei den Vorführungen, auf neue Ideen kommen. ,,Kinder kommen schon mal aus der Vorstellung und knollen einen Pullover zusammen", um daraus selber eine Figur zu machen, erzählt Mahler. Solche Reaktionen sind den Jubilaren die liebsten.

Für Oberhemden, Waschmaschinen, Sofas haben die Figurenspieler Hauptrollen erdacht. Alltagsgegenstände eigneten sich als Protagonisten, weil sie emotional nicht so besetzt seien, findet Michael Kloss, seit 15 Jahren als Spieler, Autor und Regisseur dabei. Tiere mag er lieber in Horden, denn bei einem einzelnen Eichhörnchen heiße es gleich wieder ,,ach, wie niedlich".

Angefangen hat der Ex-Pädagogik-Student Mahler 1975 mit dem Stück, Ein Frosch lernt fressen. Zusammen mit dem Amerikaner Danny Lee Lewis lenkte er damals in der Hinterstube einer Hofheimer Gaststätte den Quaker. Das ist lange her. Fünf Mal ist das Stück unterdessen neu inszeniert worden. Der Originalfrosch wurde längst in den Ruhestand versetzt. Seinen Alterssitz hat er in einer Vitrine bekommen, gleich neben der Urkunde über die Verleihung des Hessischen Kulturpreises 1996.

Das Repertoire kann sich sehen lassen: Nicht nur auf eine beachtliche Sammlung an Bühnenstücken blicken die Klappmäuler zurück, für das Fernsehen haben sie 96 Folgen Sandmännchen gedreht und bei 20 Ausgaben der ZDF/3sat Sendung Computer für Kids mitgearbeitet. Mit der Frankfurter Oper produzierten sie unter anderem Saint-Saëns' Karneval der Tiere.

Dass sie ihr Jubiläum am 19. Mai im Theaterhaus mit einem Festakt und tags darauf mit der Uraufführung von Das Sofa schlägt zurück feiern werden, ist Ehrensache. Schließlich sind die Klappmäuler Mitgesellschafter der Bühne. Die Premiere übrigens ist, so Kloss, ,,der zweite Teil einer Trilogie". Die Segel für die nächsten 25 Jahre werden gesetzt. 
 

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